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So idyllisch zeigt sich die Szene beim Fussgängerübergang Bubenbergplatz an einem Werktag um 9 Uhr im Corona-Lockdown. Werden hier wirklich einmal 16'000 Fussgänger zum/vom neuen Bahnhofausgang unterwegs sein?

Fussgängerunterführungen sind von vorgestern

Die Stellungnahme von Pro Bahn Espace Mittelland zur Abstimmung in der Stadt Bern vom 7. März 2021 – Zweiter Bahnhofausgang zum Bubenbergplatz.

«Kurzsichtiges Projekt», «Retten wir den Hirschengraben», «Planungsfehler nicht wiederholen» – vier Zitate aus Interviews, Artikeln, Leserbriefen zur Abstimmung in der Stadt Bern vom 7. März. Ein Kredit von CHF 112 Mio. steht zur Diskussion (davon CHF 58 Mio. durch Bund/Kanton finanziert), aufgeteilt auf vier Bausteine (1–4) für Verkehrsmassnahmen beim zweiten Hauptausgang Bahnhof am Bubenbergplatz (1, 2), im Raum Bollwerk/Schützenmatte (3) und Richtung Länggasse (4). Während Nr. 3 und 4 sinnvoll sind, ist die offizielle Planung bei Nr. 1 und 2 mit einer langen Personenunterführung zum Hirschengraben zu hinterfragen, da hier überholte Ideen auferstehen sollen.

Vertreter von Pro Bahn Espace-Mittelland haben sich damit auseinandergesetzt und kommen ebenfalls zum Schluss «so nicht» für die Bausteine 1 und 2. Verbunden damit ist die Empfehlung, die Vorlage abzulehnen.
 

Technokratische Verkehrsplanung

Die Begründung, weshalb den Menschen beim Verlassen des Bahnhofs, respektive des Fussgängergeschosses zwischen SBB-Perrons und den tief liegenden RBS-Gleisen, nicht eine offene Sicht auf die Stadt, zumindest vom Bubenbergplatz aus, zu gönnen ist, beschränkt sich auf verkehrsplanerische / technische Aspekte. Deshalb sollen 35% der Fussgänger in eine rund 60 Meter (!)lange Röhre gelenkt werden, 65% würden trotzdem die nur noch 12.5 m breite Strasse (zwei Fahrspuren + Velostreifen) und die Tramgleise überqueren. Um fast40% würden bis 2035 die öV-Frequenzen zunehmen und mit 15% mehr Fuss- undVeloverkehr sei zur rechnen, so die Annahme. Das heisst 16'000 Personen würden pro Stunde in der Abendspitze hier queren, gegenüber bisher 6'000. Ausserhalb der Stosszeiten dürfte die Röhre verwaist und ungemütlich bleiben.

Sind diese Prognosen in Stein gemeisselt? Corona-Rezession, Home-Office, kleinerer Bedarf an Büro- und Ladenflächen im Zentrum – die zu Grunde liegende Planung ist bald fünf Jahre alt. Der motorisierte Individualverkehr über den Bubenbergplatz wird – so das offizielle Projekt – gegenüber heute deutlich eingeschränkt. Zudem steht der autofreie Bahnhofplatz weit oben auf der Prioritätenliste der Stadt, womit nur noch Anlieferer, Taxis, Busse und Notfalldienste, plus eventuell eine zweite Tramachse diese Verbindung benützen werden. Wer taucht dann noch vom Hirschengraben aus in eine zementierte Röhre ab? Die Planer haben u.a. errechnet wie hoch der Zeitgewinn aller zu Fuss Gehenden in Spitzenzeiten «dank» dieser Unterführung sein würde: magere 2%, weil sich die Menge im Schnitt mit 3.25 km/h statt 3.2 km/h fortbewegen könnte.
 

Unterführung bringt unnötigen Umbau des Hirschengraben

Die Unterführung führt zu einem Totalumbau des Hirschengraben. Bubenbergs Denkmal wird verschoben, alle Bäume werden gefällt und frisch «platziert», damit die Tramhaltestellen geschoben und mit breiteren Wartezonen ausgestattet werden können. Der Freiraum in der Mitte wird enger. Sinnvoll wäre die Unterführung nur wenn sie mit der angedachten Velohalle verbunden würde. Deren Realisierung ist nicht Teil des aktuellen Projektes und wenig wahrscheinlich, weil die historischen und geschützten Zeugen im Untergrund zerstört würden. Mit oder ohne Unterführung – das Problem Veloabstellplätze bleibt ungelöst, wie die neue Baudirektorin der Stadt kürzlich ausführte.

Ortsunkundige Besucher Berns mit Ziel Stadtzentrum landen durch diese Unterführung weit daneben und müssten sich erst mal umsehen wo sie gelandet sind, während sie sich beim oberirdischen Ausgang am Bubenbergplatz besser orientieren könnten. Die Planer hatten nur eilige Pendler*innen im Fokus, Besucher*innen Berns gingen glattweg vergessen.
 

Städtebauliche Visionen fehlen

Versuche, dem zukünftigen Bahnhofausgang eine städtebauliche Vision zu geben, indem das rote Haus Bubenbergplatz 10 nicht mehr aufgebaut würde, oder der Ausgang in die Bogenschützenstrasse verlegt und mit einem gläsernen Baldachin zum Durchgang auf den Platz versehen würde, scheiterten wegen des komplexen Bauverfahrens und der fixen Bautermine im Perimeter von SBB, Post-Immobilien, Privaten und der Stadt. Schade. Allerdings kann mit bescheidenen Massnahmen die oberirdische Querung grosszügiger gestaltet werden. Eine weitere Verengung der beiden Fahrspuren auf 10 Meter in dieser neuen 30er-Zone, deutlich breitere Fussgängerstreifen, Lichtsignalanlagen mit Umlaufzeiten die den Fussverkehr bevorzugen und grössere Warteräume liegen auf der Hand.

Anpassungen braucht es auch beim Tramverkehr. Zu oft versperren «Rote Wände», alias wartende Trams, den Raum für Fussgänger und Fahrradquerung an der fraglichen Stelle. Für die Planung der Tramachsen durch den Hirschengraben sollten sich die Planer – falls die Abstimmung negativ ausfällt – bei der sehr ähnlichen Parkanlage auf dem Stadelhoferplatz in Zürich ein Bild machen mit drei Tramlinien plus Forchbahn auf beiden Platzseiten, was inklusive Anlieferung und doppelter Kehrschleife fürs Tram funktioniert. Zugegeben, der Platz ist etwas breiter als der Hirschengraben in Bern.
 

Zum Abschluss

Die städtische Abstimmungsvorlage vom 7. März «Bau- und Verkehrsmassnahmen im Zusammenhang mit dem Ausbau Bahnhof Bern» ist abzulehnen. Der Stadt bleibt Zeit, um die Situation des Bahnhofausgangs mit oberirdischer Fussgängerquerung Bubenbergplatz neu zu evaluieren und «menschenfreundlicher» umzusetzen. Warum nicht ein Provisorium für einige Jahre bis der Bahnhofplatz autofrei wird?

Pierre Pestalozzi, Arpad Boa, Stephan Frei, Kaspar P. Woker

21.01.2021


Schmälere Strasse, breiterer Fussgängerstreifen, etwas längere Grünphase für Velos/Fussgänger und grösserer Warteraum, dann braucht’s keine Unterführung mehr.

Heute bleiben Trams zu oft genau hier stehen. Betriebliche, technische, bauliche Anpassungen können Abhilfe schaffen. Bis zur Eröffnung des Bahnhofausgangs in sechs Jahren bleibt genügend Zeit.

 

Zur Anlieferung frischer Blumen kreuzen auch ausländische LKW hemmungslos durch diese Zone.

 

Fotos Kaspar P. Woker